Wir plädieren für eine KI-Infusion: KI nachhaltig und resilient ins Unternehmen einfliessen lassen. Erstellen Sie zuerst eine Geschäftsstrategie für das Zeitalter von KI, nicht zuerst eine KI-Strategie.
Letzte Woche sass ich mit dem CEO eines KMU zusammen. Er trank gerade seinen zweiten Espresso und blätterte sich durch einen Stapel Strategiepapiere. Dann schaute er auf und fragte: «Brauchen wir nicht dringend auch eine KI-Strategie? Alle reden davon.» Meine Antwort hat ihn überrascht: «Nein, du brauchst eine zeitgemässe Geschäftsstrategie, in der die Möglichkeiten der KI berücksichtigt werden.» Er lehnte sich zurück, runzelte die Stirn – und dann starteten wir ein echt spannendes Gespräch über den tatsächlichen Mehrwert von KI im Business-Alltag.
Marathon statt Sprint
«Quick Wins» und «Leuchtturmprojekte» haben ihre absolute Berechtigung und sind wichtig. Zum richtigen Zeitpunkt.
Für alle, die bisher noch keine Erfahrungen mit KI gemacht haben, empfehlen wir nachdrücklich, sich zunächst mit den Besonderheiten im Umgang mit grossem Ungewissheitspotenzial vertraut zu machen. Dazu gehört auch, agile und iterative Vorgehensweisen zu erlernen und zu adaptieren.
Ein mittelständisches Logistikunternehmen führte hastig eine KI für die Routenplanung ein. Die Software kostete 200.000 CHF. Übersehen wurde: Die Fahrer kannten wichtige “inoffizielle” Absprachen mit Stammkunden (etwa bevorzugte Lieferzeiten oder spezielle Zugangswege).
Ergebnis: Die KI plante zwar mathematisch effizient, ignorierte aber diese wichtigen Kundenbedürfnisse. Die Kundenzufriedenheit sank drastisch, mehrere Grosskunden kündigten. Der Schaden war deutlich höher als die Einsparungen durch optimierte Routen.
Kernproblem: Das implizite Wissen der Mitarbeiter wurde nicht berücksichtigt.
Solche Firmen agieren ein wenig wie Ärzte, die gleich zur Spritze greifen, anstatt die Ursachen zu analysieren. Nennen wir das den „Schnellschuss-Fallstrick“. Stattdessen vertreten wir eine “KI-Infusion” – also einen gut überlegten, kontinuierlichen Prozess für die Implementierung von KI. Wie bei einer medizinischen Infusion: nur die richtige Dosis zur richtigen Zeit bringt wirklich etwas.
Vier entscheidende Schritte zum Erfolg (in Anlehnung an das Modell Gartner)
1. Klären Sie Ihre eigenen, internen Fähigkeiten bezüglich KI, um die Chancen & Herausforderungen der KI einzuschätzen.
Der CEO stellte mir die eher rhetorische Frage, dass man wohl zuerst bei den Kundenbedürfnissen starten sollte. Grundsätzlich stimme ich der Denkweise, dem Mindset «customer first» zu und befürworte dies auch stark.
Gleichzeitig ist das Customer-first-Mindset ein gutes Beispiel für die Besonderheit im Umgang mit grossen Ungewissheiten. Bevor wir an die Kunden und ihre Bedürfnisse denken, sollten wir uns zuerst fragen, ob wir die Fähigkeiten und Fertigkeiten (Capabilities) besitzen, die Chancen und Herausforderungen von KI für unsere Kunden und somit für uns zu erkennen und zu bewerten.
Fragen, die Sie sich in diesem Zusammenhang stellen sollten:
- Warum wollen wir die Chancen und Herausforderungen von KI für unsere Kunden analysieren?
- Wie wollen wir das tun?
- Und welche Inhalte sind für die Analyse relevant?
2. Analysieren Sie Chancen & Herausforderungen für Ihre Kunden und wie Sie sie dabei unterstützen können.
Im zweiten Schritt stimme ich dem CEO vollkommen zu: Nun legen wir den Fokus auf die Kundenbedürfnisse im Zeitalter von KI (Customer Need) und darauf, wie wir mit unseren Kunden in Kontakt treten wollen, d.h. welche Beziehung wir mit unseren Kunden aufbauen und pflegen wollen (Customer Relationship).
Fragen die Sie sich stellen sollten:
- Warum ändert sich etwas für unsere Kunden?
- Wie ändert sich etwas?
- Und was ändert sich, d.h. welche Trigger (Auslöser) sind zu fokussieren?
3. Bewerten Sie die wirtschaftlichen Möglichkeiten realistisch
«… und wie verkaufe ich das meinem CFO?», folgte die laut gedachte Frage des CEOs.
Wichtig ist: Steuern Sie die Kosten von Beginn an aktiv mit. Eine Besonderheit sind hier z.B. die individuellen Lizenzen der Online-Services wie ChatGPT & Co. Schaffen Sie Klarheit bezüglich Kompetenzen und Verantwortung zur Beschaffung und Kostenkontrolle.
Noch wichtiger ist es, das wirtschaftliche Potenzial von implementierter KI nach und nach zu schärfen: Wie entwickeln sich die Kosten (Cost Structure) und welche Ertragsströme können wir – ggf. zusätzlich – entwickeln (Revenue Model).
Fragen die Sie sich stellen sollten:
- Welches sind die Treiber der Kosten und welche Hebel habe ich, um Kosten zu steuern?
- Wofür sind meine Kunden bereit zu zahlen?
- In welcher Form, d.h. zu welchem Zeitpunkt, auf welchem Kanal und nach welcher Logik kann ich den «Customer Lifetime Value» optimieren?
4. Passen Sie Ihr Angebot dem Zeitalter von KI an
Gegen Ende unseres Gespräches waren sich der CEO und ich uns einig: KI ist nicht nur Technologie. Also bei weitem nicht nur ein Thema der IT – sondern bietet Chancen und Herausforderungen für die ganze Unternehmung.
Wir sollten uns hinterfragen, inwiefern wir unsere Vision im Zeitalter von KI noch besser verwirklichen können. Wie wir mit KI bessere und neue Produkte sowie gegebenenfalls verbesserte oder neue Geschäftsmodelle entwickeln und etablieren können.
Fragen die Sie sich stellen sollten:
- Gibt es nicht befriedigte Bedürfnisse unserer Kunden oder potenzieller Kunden welche wir morgen mit Hilfe von KI befriedigen können?
- Wie müssen wir unsere Angebote (Offerings) für das Zeitalter von KI gestalten?
- Auf welche Art und Weise stehen wir mit unseren Kunden wann, wie und zu welchen Zeitpunkten im Kontakt (Customer Journey)?
- Auf welche Art und Weise interagieren wir an welchem Kontaktpunkten (Touchpoints & Channels) mit unseren Kunden?
- Kurz: Wie könnten zusätzliche Geschäftsmodelle aussehen?
Tipps für den Einstieg
1. Klärung der eigenen «Capabilities» bezüglich Technologie & Prozessoptimierung
- Erheben Sie den Status Quo bezüglich «AI-Capabilities».
- Entwickeln Sie einen Plan zum Auf- und Ausbau der Fähigkeiten & Fertigkeiten zur Nutzung und Entwicklung von KI-Anwendungen.
- Definieren Sie ein Vorgehen, um aus Ungewissheiten Erkenntnisse zu schaffen, d.h. wie wollen Sie experimentieren?
2. Analyse der Chancen & Herausforderungen Ihrer Kunden
- Erheben Sie die Wünsche Ihrer aktuellen und potenziellen Kunden.
- Klären Sie, warum die Kunden es sich wünschen, …
- …und wie Ihre Kunden diese Bedürfnisse befriedigen möchten.
3. Realistische Bewertung der wirtschaftlichen Möglichkeiten
- Bewerten Sie Ihr Vorhaben über folgende Parameter:
- Realität: Decken Sie ein echtes Bedürfnis ab? (Kundensegment und dessen Potenzial)
- Marktchancen: Können Sie eine bessere Lösung bieten als Ihre Mitbewerber resp. die heutige Alternative der Kunden (z.B. ungedecktes Bedürfnis)
- Wirtschaftlichkeit: Können wir die Lösung wirtschaftlich sinnvoll, erfolgreich und nachhaltig bereitstellen?
- Wiederholen Sie diese Bewertung jeweils, sobald sie wesentliche neue Erkenntnisse gewonnen haben.
- Entscheiden Sie zeitnah über Weiterführung der Initiative oder derer Ende. Weisen Sie Ressourcen ausschliesslich erfolgversprechenden Vorhaben zur Nutzung von KI zu.
KI ist gekommen um zu bleiben. Nutzen wir dies auch strategisch und gestalten wir aktiv unsere Zukunft!
Haben Sie Fragen zu strategischen Entscheidungen oder zu KI? Melden Sie sich bei mir!